Die Kunst, zu reparieren
Susanne Gabler taucht gern ein in die Orte, an denen sie als Künstlerin aktiv wird, erfasst Traditionen der Region und verbindet sie mit der Gegenwart. Mit ihren Arbeiten möchte sie aufzeigen, wie wir mit Dingen umgehen. Und wie künstlerisch, auch berührend, die „Lösungen", die wir etwa beim Reparieren finden, in ihren Formen sein können.
In ihrer Kunst wird auch die Chance sichtbar, die in jedem Moment liegt, in dem etwas kaputt geht: du kannst es reparieren! Dich selbst, die Kultur deines Ortes, die Themen deiner Zeit darin ausdrücken.
Gerade jetzt ist es an der Zeit, keine Ressourcen unnötig zu verschwenden. Gablers Kunst, die sie 2018 als Artist in Residence in Island schuf, zeigt das in einzelnen Stücken von kaputten Bojen, die im Meer schwimmen. Durch die Hände der Künstlerin „heilen“ sie nach dem gleichen Prinzip, wie auf dem nördlichen Inselstaat bis in die 60er Jahre Porzellan repariert wurde: sie werden wieder zusammengenäht. Die Arbeit trägt den Titel fixed.
Im Sommer 2021, als Gabler für die Aktion „Tribsees Zukunft Machen” in die kleine Stadt in Mecklenburg-Vorpommern reiste, fiel ihr der Zerfall einiger Häuser auf, Fenster ohne Glas, Löcher im Mauerwerk, Risse in Fassaden. Wie sie dieser Anblick innerlich bewegte und was daraus vor Ort entstand – auch an Reparaturen – berichtet die Künstlerin hier:
„Sommer 2021: ”REPARATUREN AM HAUS“.
70 Häuser sind zerfallen in Tribsees, in einer ansonsten erhaltenen städtischen Struktur. Die hieran nachvollziehbare Vergangenheit des Ortes ist ein Schatz und ein Schmerz.
Der Leerstand ist herzzerreißend, die Ruinen sind anziehend. Es sind die vielen kleinen Strukturen, die mich ganz dicht an die Fassaden, Türen und Fenster locken.
Was braucht Tribsees? Reparierte Häuser – ich repariere sehr gern. Allerdings habe ich dafür bisher nur eine Technik zur Verfügung: Ich nähe. Dann nähe ich also ein Haus!
Nähe einen Riss im Haus wie eine Wunde im Körper. Darin liegt mein ganzes Mitgefühl genauso wie meine vollständige Hochachtung für Tribsees, seine Strukturen und die Menschen dort.
Repariert haben wir zusammen – der Frauenverein Tribsees e.V. und ich. Die Frauen zeigten ihre Handarbeitskunst in allen Facetten. Das ist ihre Tradition. Ihre Tradition hat einen hohen Wert. Dieses Wertvolle an den zerfallenden Häusern anzubringen, verdeutlicht den Wert dieser Häuser und der Stadtstruktur.
Ich mag die Arbeit mit den Frauen. Sie bringen heißen Kaffee mit, einen Tisch, selbstgebackene Kuchen und Polsterstühle. Wir sitzen zusammen, sie häkeln und ich nähe.
Wir verbinden uns im direkten haptischen Sinn miteinander – mich mit Tribsees, die Traditionen der Tribseeserinnen mit ihrer Stadt und die Vergangenheit mit der Zukunft.
Ich wünsche mir, dass jede und jeder diesen Wert in unseren „REPARATUREN“ erkennt.”
Bilder der mit Näh- und Häkelkunst reparierten Häuser könnt ihr euch in der linken Spalte anschauen. Klickt zunächst auf eins der Bilder, dann erscheint die Bildergalerie.
Zur Übersicht