Reparatur-Initiativen im Jahr 2020

Abb. 1
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Abb. 2
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Abb. 3
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Abb. 4
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Als wir 2014 unsere erste und bisher einzige Umfrage durchführten, gab es rund 100 Reparatur-Initiativen deutschlandweit. Inzwischen ist das Netzwerk auf rund 1000 lokale Reparaturgemeinschaften angestiegen. Heute wird also zehn Mal so viel ehrenamtlich und gemeinsam repariert und nur ein sehr kleiner Anteil an Reparaturprojekten hat in den letzten Jahren seine Tätigkeit wieder aufgegeben.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Das Netzwerk wächst, das Format des gemeinsamen Reparierens hat sich bewährt, manche Fragen sind offen, wie z.B.: Wie kommen mehr junge Leute in die Reparatur-Initiativen und wann kommt das Recht auf Reparatur?

 

Die Reparierenden

An der Umfrage hat ein Viertel aller Reparaturcafés aus dem Netzwerk teilgenommen. Zu etwa gleichen Teilen erfolgte deren Gründung zwischen den Jahren 2014-2016 (44 %) und 2017-2019 (42 %). Knapp die Hälfte der Befragten hat angegeben, dass zwischen 11-20 Personen in ihrer Reparatur-Initiative aktiv sind.  (Abb. 1) Im Durchschnitt übernehmen 4 Personen organisatorische Aufgaben. Und ein Reparaturcafé zählt im Durchschnitt 13 Reparateur*innen.

Die ehrenamtlichen Reparateur*innen sind überwiegend in Rente und ehemalig berufstätig in einem handwerklichen Bereich (73%) sowie in Rente und ehemals berufstätig in einem anderen Bereich (57%). Viele der Reparateur*innen sind aktuell berufstätig in handwerklichen Bereichen (44%) und anderen Bereichen (49%). Nur wenige der Reparateur*innen befinden sich aktuell in Ausbildung (9%).

 

Die Veranstaltungen

Reparaturcafés in Deutschland finden überwiegend 1x im Monat statt (65 %, Abb. 2). Über die Hälfte der Befragten hat angegeben, dass ihre Reparatur-Initiative das Projekt einer Institution ist oder in einer Kooperationsgemeinschaft stattfindet. Dazu zählen z.B. gemeinnützige Vereine, Kirchengemeinden, Familienzentren, Jugendzentren, Umweltbildungszentren, Freiwilligenagenturen, die AWO oder der BUND. Ein Drittel der Projekte ist als private Personengruppe organisiert. Ein weiterer kleinerer Teil als eigener Verein; 27 Befragte haben dies angegeben.

Reparaturcafés sind eine feste Größe unter den zivilgesellschaftliche Akteure in der Kommune, im Stadtteil, in ihrer Stadt. Sie sind gut vernetzt, pflegen den Austausch mit der jeweiligen Stadt- oder Kommunalverwaltung und stehen im engen Austausch mit anderen lokalen Akteuren. Dies ergibt sich natürlich auch daraus, dass ein Großteil der Initiativen als Untergruppe oder als Projekt einer bereits bestehenden Institution entstanden ist oder sich eben einer solchen angeschlossen hat. Darüber hinaus pflegen viele Reparatur-Initiativen auch einen regen lokalen Austausch untereinander.

Pro Veranstaltung kommen zwischen 10-20 Besucher*innen (38 %), gefolgt von 20-30 und über 30 Besucher*innen (jeweils 25 %, Abb. 3). Dies entspricht auch den angebrachten zu reparierenden Gegenständen – was wiederum der Formel folgt: Ein Gegenstand je Gast.

 

Das Reparieren

Erfolgreich repariert werden können in der Regel 50-75% der Gegenstände (Abb. 4). Gemeinsam repariert wird, weil es Spaß macht, um Gegenstände vor der Tonne zu retten, um andere zu ermutigen nachhaltiger zu leben, um Wissen und Fähigkeiten mit anderen zu teilen, um sich sozial zu engagieren. Nicht so sehr im Fokus steht die Vernetzung mit lokalen Handwerksbetrieben. Besucher*innen und Räumlichkeiten zu finden, klappt besonders gut, antworteten die Befragten. Eher schwieriger ist die Besorgung von Ersatzteilen sowie die Besucher*innen zu motivieren, gemeinsam zu reparieren.

Reparatur-Initiativen sind Orte mit Bestand. So äußern sich die Befragten überdurchschnittlich positiv dazu, dass es sehr gut gelingt, Menschen zu finden, die sich dauerhaft und kontinuierlich engagieren möchten. Dabei fällt es noch etwas leichter Reparateur*innen zu finden als Personen, die sich an der Organisation beteiligen möchten.

Die Idee der „Hilfe zur Selbsthilfe“, d.h. eine Reparatur durch die Besucher*in angeleitet von einem*r Reparaturhelfer*in*in, lässt sich in der Praxis bisher nur bedingt umsetzen.

Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene: generationenübergreifendes Reparieren und die Öffnung hin zur Jugend. Diese Themen beschäftigen viele der Reparatur-Initiativen schon eine Weile und das spiegelt auch die aktuelle Befragung wider. Dies betrifft sowohl die Verjüngung des eigenen Teams sowie das Erreichen von jüngeren Besucher*innen.

 

 

Abschließend haben wir euch gebeten, den folgenden Satz zu vervollständigen. Hier eine kleine Auswahl an Antworten:

 

In zehn Jahren…

… sind Reparierbarkeit und Reparatur hoffentlich (wieder!) selbstverständlicher Bestandteil unserer Gesellschaft – in Konzeption, Produktion und Nutzung von Gegenständen.

 

… gibt es an jeder Schule ein Repair Café und die Mehrzahl der Menschen unternimmt erstmal einen Reparaturversuch (selbst oder mit Unterstützung), bevor Dinge entsorgt werden. Außerdem gibt es dann eine Mehrwertsteuerermäßigung auf Reparaturleistungen und Ersatzteile.

 

… haben wir vermutlich viel größere Probleme klimatischer Natur und existenzieller Art zu lösen, als Toaster und Jeans zu reparieren.

 

… werden Reparatur-Initiativen fester Bestandteil lokaler Wirtschaft sein.

 

… werden wir immer noch benötigt, aber werden es schwerer haben, da Geräte immer schwerer zu reparieren sind und billiger produziert werden.

 

… ist der Besuch beim Repair Café immer noch ein für alle Seiten nettes und erfolgsversprechendes Erlebnis, das die Menschen in der Post-Corona/Post-Wachstumsgesellschaft zusammenbringt.

 

… hoffe wir, dass wir immer noch reparieren und Jüngere die Flamme weitertragen.

 

… sind die Produkte wieder nachhaltig und modular reparierbar. Jeder hat Zugang zu den nötigen Reparaturanleitungen, Ersatzteilen und Werkzeugen. Es wird vernetzt, digital, angeleitete Repaircafés geben. Es wird sich wieder lohnen zu reparieren und Reparaturwerkstätten entstehen.

 

… sind offene Werkstätten Teil des pulsierenden Dorflebens in jedem Dorf und Reparatur-Treffs ein ganz wunderbarer Schnittpunkt zu den Nichthandwerker*innen und Neuhandwerker*innen gleichermaßen. Sie sind Orte gelebter Basisdemokratie und Teil der lokalen Allmende.

 

... wird so einiges ganz anders sein, als wir jetzt erahnen können. Wir sind besorgt über Anzeichen, dass wir weiter so stark über die ökologischen Grenzen hinaus wirtschaften und es an globaler Solidarität fehlt, aber auch hoffnungsvoll, weil es so viele kleine Projekte mit Leuten gibt, die sich wie im Café kaputt für ein Andersmachen entscheiden, zusammenwirken und Ideen für ein zukunftsfähiges Miteinander entwickeln, um die Welt zu reparieren. :-)

 

… sind Geräte wieder reparaturfreundlicher, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist.

 

... gibt es in jeder Nachbarschaft Repair Cafés, die gut miteinander vernetzt sind und sich gegenseitig weiterhelfen. Es werden sich Fachschwerpunkte entwickelt haben.

 

… wird es noch mehr Reparatur-Initiativen geben, weil sich die Erkenntnis durchsetzt hat, dass die meisten Gegenstände es wert sind, repariert zu werden und nicht auf dem Müll landen sollten.

 

… wird es noch deutlich mehr Reparaturinitiativen geben, weil der (ideelle) Wert von guten alten Sachen noch deutlich steigen wird.

 

…werden es Repair-Initiativen noch schwerer haben, weil das Reparaturwissen (der Älteren) verloren gegangen sein wird und die Produktion noch reparaturunfreundlicher geworden ist.

 

... hat sich der Repair-Café-Gedanke voll etabliert und auch weiterentwickelt in Richtung Hilfe für ältere und nicht mehr mobile Menschen zu Hause.

 

... gibt es ein weit verbreitetes Wertebewusstsein für nachhaltige Produkte und Reparatur-Cafés sind ein fester Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge und der generationenübergreifenden Zusammenarbeit.

 

… gibt es ein Reparaturzentrum in Oldenburg, das sich als Blaupause in der EU durchsetzen wird.

 

… hat sich die Wegwerfmentalität stark verändert und es gibt in jeder Nachbarschaft offene Reparatur-Werkstätten für alle, bei denen junge und ältere Menschen gemeinsam ihre Gegenstände reparieren oder aufwerten.

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