Rückblick: Regio-Vernetzungstreffen Leipzig

Die TeilnehmerInnen im hinZundkunZ
Die TeilnehmerInnen im hinZundkunZ
Besuch im café kaputt
Besuch im café kaputt
Besuch in der Materialsammlung krimZkramZ
Besuch in der Materialsammlung krimZkramZ
Verstetigung und Kontinuität erreichen
Verstetigung und Kontinuität erreichen
Neue Zielgruppen erreichen
Neue Zielgruppen erreichen

In Lindenau, dem (noch) "wilden Westen" Leipzigs, trafen sich am vergangenen Samstag VertreterInnen aus elf Reparatur-Initiativen, die neben Leipzig aus Dresden-Freital, Halle, Wernigerode, Jena und Flöha anreisten. Gastgeberinnen in Leipzig waren das Café kaputt und kunZstoffe – die Urbane Ideenwerkstatt e.V., in deren Veranstaltungsraum HinZundkunZ wir tagen konnten. Nach einer allgemeinen Vorstellungsrunde und Themensammlung für den Nachmittag stattete die Gruppe sowohl dem Café kaputt wie auch der Materialsammlung krimZkramz einen Besuch ab und erhielt so einen direkten Einblick in die Arbeit und Räumlichkeiten beider Projekte.

Projektbeschreibung from Stefad on Vimeo.

 

Nach der Mittagspause entschied sich die Gruppe nacheinander zwei Themen in den Fokus zu nehmen. Der erste Teil des Nachmittags drehte sich rund um das Thema "Verstetigung und Kontinuität" und Fragen wie: Wie kann der kontinuierliche Betrieb einer Reparatur-Initiative gewährleistet werden? Wie motiviert man Ehrenamtliche dafür, an Bord zu bleiben? Wie findet man Räumlichkeiten, die regelmäßig als Reparaturwerkstatt geöffnet werden können oder zumindest als Lager für Werkzeuge und Materialien dienen können? Wie können feste Stellen geschaffen werden für organisatorische Aufgaben?
Für ein funktionierendes Team, in das sich weitere Ehrenamtliche gerne einbringen und auch dabei bleiben, sind klare Strukturen, transparente Entscheidungsprozesse und Aufgabenverteilung sowie ein darauf ausgerichtetes Verantwortungsbewusstsein entscheidend. Offenheit und das Zeigen von Möglichkeiten, wo man sich konkret engagieren kann in der Organisation, helfen Neulingen, einzusteigen und sich zurechtzufinden. Der Teamgeist kann durch gemeinsame Aktionen wie eine Reparatur-Aktion für die Mitwirkenden untereinander, gemeinsame Unternehmungen, aber auch durch persönliche Dankeschöns oder kleine Aufmerksamkeiten aus dem Spendentopf gestärkt werden. Auch für die Wirkung nach außen, das Eingehen von Kooperationen oder Mietverträgen ist ein verlässliches Auftreten und Einigkeit im Team ein hilfreicher Faktor.
Neben einem stabilen Team sorgt auch ein wiederkehrend oder dauerhaft verfügbarer Raum für die Kontinuität einer Initiative und es muss nicht für jede Veranstaltung aufs Neue eine passende Lokalität gefunden werden. Gemeinderäume, Quartierszentren, Multifunktions- und Mehrgenerationenhäuser, BürgerInnenzentren, (Hoch-)Schulen oder auch Volkshochschulen können als KooperationspartnerInnen gewonnen werden und Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Bei manchen dieser Institutionen ist vor Ort womöglich sowieso eine Werkstatt-Infrastruktur vorhanden, die mit einem Reparatur-Café einen neuen oder weiteren Nutzerkreis bekommen kann. Auch Wohnungs- oder Baugenossenschaften könnten mit dem Raumanliegen angesprochen werden, hier sind in der Regel Gemeinschaftsräume mit eingeplant. Bei der Gemeinde- oder Stadtverwaltung kann eine Kontaktaufnahme zum Liegenschaftsamt ein sinnvoller Schritt sein – hier ist Zeit und Fingerspitzengefühl gefragt, um die richtige Ansprechperson zu finden und auf passendem Weg zu kontaktieren. (Für Gartenprojekte hat die anstiftung das Praxisblatt "Im Dialog mit Verwaltung und Kommunalpolitik" veröffentlicht, das sicher auch für Reparatur-Projekte einige hilfreiche Tipps enthält.)
Generell sind Kooperationen mit anderen örtlichen Institutionen sinnvoll, um sich als Projekt zu etablieren und vielleicht auch auf diesem Wege Unterstützung in Form von Zeit und/oder finanziellen Mitteln zu erhalten. KlimaschutzmangagerInnen können relativ frei über ihre Budgetverteilung entscheiden, auch bei Abfallwirtschatsbetrieben stößt man bei den dortigen AbfallberaterInnen häufig auf offene Ohren. Weitere mögliche AnsprechpartnerInnen können die Verbraucherzentrale, Jugendkultureinrichtungen, Bürgerstiftungen oder auch universitäre Social Entrepreneurship Institute sein – um sich dort generell zum Thema Sozialunternehmertum beraten zu lassen. Wer in diese Richtung denkt, könnte überlegen, eine organisatorische Struktur als gGmbH oder Kombination von GbR und e.V. zu etablieren, um Förderungen aus verschiedenen Töpfen beantragen zu können – sowohl wirtschaftliche, aber auch soziale oder kulturelle Förderungen könnten so möglich sein.
Ganz allgemein ist es immer hilfreich, sich als Projekt zu zeigen, öffentlich aufzutreten – und hier vielleicht auch gezielt neue Anlässe und "unerwartete" Orte zu suchen, die von der üblichen Zielgruppe abweichen und dort auf neue Kontakte und Interessierte stoßen.

Neue Interessierte für das Reparatur-Café zu finden stand dann im zweiten Teil des Nachmittags auf dem Programm. Mit Freiwilligenagenturen waren bisher kaum Erfahrungen vorhanden bzw. die Zahl der vermittelten Freiwilligen gering. Dennoch ist es sicher nicht verkehrt, die eigene Reparatur-Initiative und Mitmachmöglichkeit bei der örtlichen Freiwilligenagentur einzutragen. Hochschulen und dort angesiedelte StudentInnenorganisationen können angesprochen werden, um gezielt jüngere Menschen zum Mitmachen zu finden. Problematisch sind hier jedoch Auslandssemester oder Wegzug nach dem Studium. Auch geschaltete Werbung kann primär dazu dienen, neue Mitwirkende zu akquirieren, statt ausschließlich die Veranstaltung für Gäste zu bewerben. Wichtig dabei ist, die Kontaktdaten gleich mitanzugeben, um direkt erreichbar zu sein.
Auch Kinder und Jugendliche können eine neue, spannende Zielgruppe sein – primär natürlich als Gäste, aber vielleicht möchten sich ältere Jugendliche auch als MithelferInnen engagieren. An manchen Schulen wurde das Schulfach "Projekt Verantwortung" eingeführt, in dem sich die SchülerInnen eine bestimmte Wochenstundenzahl in einem sozialen Projekt engagieren – hierkönnte ein Reparatur-Café ein passendes Projekt sein. Vorab muss jedoch durchdacht und organisiert werden, wie einE SchülerpraktikantIn im Projekt eingegliedert werden kann und wie seine/ihre Betreuung gewährleistet ist. Eventuell kann dies sehr zeitintensiv sein, hier gilt es Nutzen und Aufwand abzuwägen. Gerne angenommen von Schulen werden externe Angebote wie eine Exkursion zum Reparatur-Café – hier hält sich der Vorbereitungsaufwand an der Schule vor Ort eher niedrig. Auch bei Ganztagesbetreuungsangeboten kann ein Reparatur-Café andocken und an einem Nachmittag wöchentlich gemeinsam mit SchülerInnen vor Ort ein Reparatur-Angebot auf die Beine stellen. Neben Mobiliar und Gegenstände aus dem Schulfundus können auch mitgebrachte Gegenstände der SchülerInnen bzw. aus deren Familien repariert werden. Vom Café kaputt kam der berechtigte Einwand, dass Kinder und Jugendliche noch nicht wirtschaftlich Denken und entsprechend auch kaum Dinge besitzen, die über längere Zeit funktionieren müssen – das erschwert das Finden von zu reparierenden Gegenständen aus dem direkten Besitz von Kindern und Jugendlichen. Auch Familien können als neue Zielgruppe eines Reparatur-Cafés in Frage kommen – hier kann eine Holz-Werk- oder Upcycling-Station für den Nachwuchs ein willkommenes Angebot sein, wo sich die Kinder handwerklich ausprobieren und kreativ tätig werden können. Auch ein Quiz zu verschiedenen Werkzeugen oder Werkzeugtasten im Dunkeln kann ein Familienangebot bereichern (und bereitet nicht nur den Kleinen Freude).

Zum Ausklang des Tages machte sich ein Teil der Runde noch mit Lisi vom Café kaputt auf den Weg durch Lindenau – auf einem  "Rundgang der lebenden Visionen" besuchten sie drei Projekte im Stadtteil, die Gesellschaft neu denken und neue Räume des Zusammenkommens und Konsumierens schaffen möchten. Startpunkt war die Autodidaktische Initiaive adi e.V., die einen offenen, selbstorganisierten Lern- und Bildungsort betreibt, an dem Lesekreise, Sprachkurse und skill sharing stattfinden und von jedeM initiiert werden können.
Weiter gings zum Nachbarschaftsgarten und Werkstattprojekt an der Josephsstraße, wo zu Hochzeiten bis zu 150 GärtnerInnen aus der näheren Umgebung aktiv waren und rund 400 Menschen jährlich die offene Fahrradwerkstatt nutzen. Daneben betreibt der Nutzerverein noch eine Holzwerkstatt, wo vor Ort gewerkelt oder die Maschinen auch ausgeliehen werden können. Nach 14 Jahren muss zumindest der Gartenteil nun leider Neubauprojekten weichen (Hallo, Gentrifizierung!)  – eine neue Fläche wurde von der Stadt zwar zur Verfügung bestellt, aber die Motivation der Mitwirkenden hat dennoch einen Knick erlitten.
Ihren Abschluss fand die Runde beim PizzaLab, eine vegane und ausschließlich von Freiwilligen aus Leipzig und aller Welt betriebene Pizzeria, die alle Gewinne an soziale Projekte spendet und selbst ein Experimentier- und Begegnungsort für die Mitwirkenden ist.

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