Rückblick: Regionales Vernetzungstreffen Fürth

Knapp 40 TeilnehmerInnen aus 20 Reparatur-Initiativen aus Bayern trafen sich am 18. Mai zum Regio-Vernetzungstag in Fürth. Von Coburg bis Regensburg, Ansbach bis München reisten die Reparatur-Aktiven in die Metropolregion.

 

Neben ausgiebigen informellem Austausch, Demonstrationen der mobilen Fahrradwerkstatt (siehe Bild) und der Kofferraumwerkstatt wurden in Gruppen verschiedene Themen rund ums Reparieren und Organisieren von Reparatur-Veranstaltungen diskutiert:
 

Hilfe zur Selbsthilfe – wie können wir Gäste in das Reparieren einbeziehen?

Eine Kopfstandrunde half zu erkennen, durch welche Methoden und Vorkehrungen mehr Selbsthilfe erreicht werden kann – indem über das Gegenteil nachgedacht wurde, nämlich die Frage: Wie verhindern wir Selbsthilfe bestmöglich?
Die Ergebnisse zeigten: Es muss genügend Zeit vorhanden sein, damit sich die Reparierenden dem Gast und dem Gerät entsprechend widmen können und kein Zeitdruck herrscht, der das Mitreparieren des Gastes verhindert. Räumlich soll der Reparaturplatz einladend und groß genug sein, dass der Gast dort mit Platz hat und nicht von einschüchternden Apparaturen am Selbermachen gehindert wird. Deswegen auch bestenfalls den Reparaturbereich und den Cafébereich räumlich zusammenfassen und nicht auf verschiedene Räume verteilen. Die Ansprache und das Einbeziehen der Gäste spielt auch eine wichtige Rolle: Alle Menschen so annehmen, wie sie sind, auf ihre Ängste eingehen, sie ermutigen, sie auch als Reparierende begreifen – und vor allem keine komplizierten Fachbegriffe verwenden. Auch ein Plakat/Aushang, Handzettel oder Info auf dem Laufzettel kann den Gast zum Mitmachen ermuntern. Wichtig ist zudem, im Team eine Fehlerkultur zu schaffen – in der sich die Mitwirkenden gegenseitig um Hilfe bitten können und auch bei den Reparaturen interagieren, statt dass jede*r ehrgeizig am eigenen Gerät schraubt. Und letztlich ist es auch der Appell an jedeN ReparierendeN einzeln: Statt sich sofort ins wilde Schrauben zu stürzen - zunächst zu beobachten und sich mit dem Gast auszutauschen, gemeinsam das Gerät zu öffnen, die Werkzeuge auch mal aus der Hand zu geben (auch wenn es länger dauert oder umständlicher gelöst wird) und immer wieder zu erklären, wie man gerade vorgeht, welche Überlegungen man anstellt bei der Fehlersuche – und auch Nichtwissen offen kommuniziert. (O-Ton: „Willste wissen, wie ichs mach?“)
 

Hürden und Probleme bei der Veranstaltungsorganisation

  • Wie damit umgehen, wenn schon vor offiziellem Veranstaltungsbeginn drängelnde Gäste vor der Tür stehen?
    Ganz konsequent auf die Anfangszeit verweisen und auch alle im Team dazu verständingen. Vielleicht kann das Empfangspersonal diese Aufgabe übernehmen und dafür beim Aufbau weniger involviert sein.
  • Wie wählen die ReparateurInnen die defekten Geräte aus?
    Sammelt die Info/Laufzettel zu den defekten Objekten auf einer Pinnwand chronologisch - die Reparierenden können dann von vorne durch die Zettel lesen und dort zugreifen, was ihnen gut liegt. Die Empfangsstation erklärt den Gästen diese Vorgehensweie und achtet auch darauf, dass keine "unbeliebten" Reparaturen an der Pinnwand hängen bleiben.
  • Wie lange sollte eine Reparatur maximal dauern?
    Das ist eine individuelle Entscheidung, die von verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist aber hilfreich, schon vor Reparaturbeginn gewisse äußere Faktoren zu berücksichtigen und sich ein ungefähres Zeitlimit entsprechend zu setzen. Die leitende Frage: Wie wichtig ist das Gerät für den Gast? Wird es alltäglich benutzt oder ist es ein Dachbodenfund? Ist es ein minderwertiges Gerät und kann die Zeit nicht lieber dafür genutzt werden, über den Kauf nachhaltiger und reparierbarer Produkte zu sprechen?
  • Können Reparaturen zu Hause weitergeführt werden?
    Das ist nicht Sinn der Sache "Reparatur-Café", das gemeinsame Reparieren und Selbsthilfe stehen im Mittelpunkt. Zudem besteht kein Versicherungsschutz mehr im privaten Bereich und es ist eine private Übereinkunft zwischen Gast und Reparierendem, in der die Reparatur-Initiative keine Rolle spielt.
  • Wie geht man mit schwierigen Personen um, die sich auch in der Initiative engagieren wollen?
    Schön ist es natürlich, wenn jedeR willkommen ist - vielleicht gibt es besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, die in einem speziellen Aufgabengebiet gut aufgehoben sind. Und auch hier gilt natürlich: Miteinander reden, den Dialog suchen, ansprechen, welches Verhalten schwierig ist. Die Methode der Gewaltfreien Kommunikation kann dabei helfen. Lösen sich jedoch Teamstrukturen aufgrund eines "Quertreibers" auf, sollten ernste Gespräche ggf. auch mit der Konsequenz der Trennung voneinander geführt werden.
  • Wo ist die Grenze vom Reparaturcafé zu Dienstleistern (Nähen, Fahrrad,…)?
    Zunächst vor Ort erkunden, wo Berührpunkte zu lokalen Dienstleistern bestehen und wie das Reparaturcafé diese behandelt. Es ist nie verkehrt, das Gespräch mit den ansässigen Betrieben zu suchen, das Konzept "Hilfe zur Selbsthilfe" zu erklären und auch danach zu handeln. Vielleicht ergibt sich sogar eine Kooperation (Fahrradclub bietet Workshop an, Ersatzteile werden nebenan besorgt, Händler und Initiative empfehlen sich gegenseitig...)  Bleiben Bedenken bestehen, kann auf einzelne Reparaturbereiche auch verzeichtet werden.
  • Kann den Reparaturhelfer*in*innen eine Aufmerksamkeitsentschädigung gezahlt werden?
    Besser ist es, andere Wege der Anerkennung zu schaffen in Form von gemeinsamen Unternehmungen, Ausflügen, Besuch einer Handwerksmesse, Gutscheinen - oder indem gemeinsam überlegt wird, welche Werkzeuge für das Reparaturcafé angeschafft werden können. Das alles schafft nicht nur Aufmerksamkeit, sondern stärkt auch den Teamgeist.
     

Reparieren im Bildungskontext

Elektrosicherheit

  • Rechtliches und Organisator*inisches
    Das RepairCafé Fürth hat sich vor einigen Jahren intesiv mit dem Thema beschäftigt und die rechtlichen Voraussetzung und organisatorischen Konsequenzen in einem YouTube-Video zusammengefasst. Die wichtigste Konsequenz ist, dass ausschließlich der einzelne Reparateur für seine Tätigkeit verantwortlich ist. Dazu sollten auch Prüfungen nach VDE 0701-0702 gehören, auch wenn diese formal nicht vorgeschrieben sind (da keine Arbeitsstätte). Damit jeder diese Prüfungen schnell und einfach durchführen kann, wurde ein Laufzettel entwickelt, der alle Aspekte der Identifizierung von Besucher und Gerät sowie der Dokumentation der Prüfung auf einem Blatt ermöglicht (s.Laufzettel kommentiert bzw. Laufzettel zum Anpassen). Zusätzlich kann ggf. auch noch die erfolgte Belehrung des Gastes über die Gefährlichkeit des Geräts dokumentiert werden.
  • Messgeräte
    Die Beschaffung geeigneter Messgeräte kann sehr kostenintensiv sein. Oft können sie aber auch für rund 200 EUR gebraucht erworben werden (allerdings meist erst nach langwieriger Suche). Wichtig ist es, Geräte zu beschaffen, die Schutzleiter- und Berührstrom messen können, da die üblichen drei Prüfungen (Schutzleiterwiderstand, Ersatzableitstrom und Isolationswiderstand) bei den typischen Geräten in Reparaturcafés oft nicht relevant sind oder zur Zerstörung der Geräte führen können. Mit Preisen um 50 EUR (plus einem leicht selbst zu bauenden Zwischenkabel) sind dafür aber auch Strom-Messzangen mit mindestens 0,1 mA-Auflösung eine kostengünstige Alternative.
  • "Kalibrierung"
    Egal, welches Messgerät genutzt wird: Wenn es an einem Arbeitsplatz so eingesetzt würde, wie bei RepairCafés, müsste es spätestens alle zwei Jahre kalibriert werden. Und das lassen sich die Hersteller auch schon mal 300 EUR kosten. Danach misst das Gerät zwar nachweisbar auf die letzte signifikate Stelle genau. Für die Anwendung im RepairCafé ist das aber gar nicht erforderlich. Deshalb kann man diesen Aufwand leicht vermeiden und trotzdem ggf. belegen, dass das Messgerät "vernünftige" Werte angezeigt hat: mit einigen Drehschaltern und Widerstandskaskaden lässt sich für rund 20 EUR ein "Referenz-Normal" bauen, mit dem man die Plausibilität der Messergebnisse vor und nach den RepairCafé-Veranstaltungen schnell und einfach prüfen kann. Details dazu werden demnächst auf https://kofferwerkstatt.wordpress.com/repaircafetechnik (unter MessNormal) zu finden sein. Der Prototyp eines solchen "MessNormals" wurde bei der Veranstaltung genutzt, um die Funktionsfähigkeit mitgebrachter Messgeräte zu plausibilisieren.
  • Weitere Sicherheitstechnik
    Unter https://kofferwerkstatt.wordpress.com/repaircafetechnik finden sich weitere Ideen für die Verbesserung der Sicherheit bei RepairCafé-Veranstaltungen, sowie zur Optimierung von Logistik, Organisation und Bewusstseinsbildung der Besucher. Der  Autor sucht noch Mitstreiter, um diese Ideen umzusetzen (Kontaktaufnahme via E-Mail-Adresse im Impressum der Site).
     

Reparaturtipps und praktischer Erfahrungsaustausch

 

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