Rückblick Regionales Vernetzungstreffen Bonn

Der 21. Oktober war nicht nur der weltweit erste RepairDay, sondern auch Vernetzungstag für Reparaturcafés im Westen. Mitwirkende aus Initiativen in Bonn, Koblenz, Kalt, Rösrath, Pulheim, Düsseldorf, Düren, Bocholt, Duisburg und Attendorn trafen sich im Haus Müllestumpe in Bonn und tauschten sich zu 3D-Druck, Selbsthilfe im Repair-Café, Gewinnen neuer Mitglieder und Reparieren mit Kindern und Jugendlichen aus. Beim gegenseitigen Kennenlernen und Vorstellen waren sich die Aktiven einig: Wir reparieren aus Spaß am Werkeln, Tüfteln und Entdecken, aber genauso sehr auch, weil wir nachhaltig handeln und Vorbilder sein möchten, unseren CO2-Fußabdruck verkleinern, Wissen teilen und uns mit anderen austauschen möchten. (Denn Wissen, das nicht geteilt wird, ist wertloses Wissen.) Ein Teilnehmer stellte fest: „Ich repariere zudem mit einer gesunden Portion Geiz und Ehrgeiz!“
Nach einem kurzen Überblick über aktuelle Netzwerkthemen und einen Einblick in das Repair-Café im Haus Müllestumpe durch Ulrich von Bonn im Wandel e.V. stellte Anika Pape das Sustainable Design Center und das dort angesiedelte Projekt „3D-Druck-Potentiale für Reparatur-Initiatien“ vor, Nina Fuchs schilderte im Anschluss die Unterstützung, die Initiativen in NRW durch MehrWert NRW, einem Projekt der Verbraucherzentrale NRW, erhalten können. (Die Präsentation zum Nachlesen: Repair-Café Haus Müllestumpe, 3D-Druck, MehrWert NRW)

 

Nach einem kurzen Rundgang durch die Repair-Café- und Werkstatträume (siehe Bilder links) sprachen und diskutierten die TeilnehmerInnen am Nachmittag in vier Runden zu unterschiedlichen Themen:

Eine Gruppe erörterte die Möglichkeiten und Hindernisse von 3D-Druck-Angeboten für Reparaturcafés. Prinzipiell sei eine Datenbank, die qualitative CAD-Daten für (ausschließlich) Ersatzteile bündelt, bereit stellt und durch die Gemeinschaft erweiterbar ist, eine sehr gute Idee. 3D-Druck wird als zukunftsträchtig und mögliches Hilfsmittel für die Reparatur empfunden. Auch das Prinzip 'Datenbank' ist bekannt, daher gab es zu der schlichten „Durchsuchen-Funktion“ keine Machbarkeitsbedenken. Anders verhält es sich mit einer Funktion „Eine Anfrage zur 3D-Daten-Konstruktion an die Gemeinschaft stellen“, deren Ablauf als nicht rund empfunden wurde.

Als Hürden zur Nutzung von 3D-Druck stellte die Gruppe fest:

  • Sprachbarriere, viele bisherige Aufbauanleitungen auf Englisch
  • Urheberrecht (lässt sich wahrscheinlich durch eine Verzichtserklärung gg. kommerzielle Nutzung aushebeln)
  • Zeitfaktor, Reparatur dann nicht an einem Termin möglich
    (Das scheint eine Prinzipien- & Vorliebenfrage zu sein: einige Repair-Cafés bestehen auf den Abschluss (unabhängig vom Erfolg) einer Reparatur innerhalb einer Reparaturveranstaltung, andere haben kein Problem mit dem Vertagen auf den nächsten Termin)
  • Im Moment wird der Prozess aus der Sicht des Repair-Café-Gastes noch als zu viel-schrittig empfunden und daher eine hohe Absprungrate befürchtet
  • Zweifel  daran, dass sich das Projekt refinanzieren kann bzw. profitable Kooperationen mit 3D-Druck-Dienstleistenden zustande kommen

Ideen und Anregungen:

  • Es macht Sinn, einen (mehr oder minder festen) Pool an KonstrukteurInnen zu gewinnen, die sich Anfragen zur 3D-Daten-Konstruktion zeitnah widmen können.
  • Vielleicht sollte die Zielgruppe genauer definiert werden: Macht es Sinn sich auf Oldtimer zu konzentrieren? Bankrotte Hersteller? Museen, wie bspw. das Radiomuseum?
  • Repair-Café-Gäste sollten so aktiv wie möglich am Prozess beteiligt werden.
  • Man könnte versuchen auch Filament-Hersteller als Kooperationspartner zu gewinnen.

Fragen, die in der Gruppe aufkamen:

  • In welchem Umfang möchten/können die ReparateurInnen die Repair-Café-BesucherInnen bei der Beschaffung eines 3D-gedruckten Ersatzteils unterstützen?
    Auch dies scheint eine Prinzipien- & Vorliebenfrage zu sein: Einige Repair Cafés begleiten ihre NutzerInnen enger als andere, Stichwort Ersatzteil-Beschaffung über Websites, die den BesucherInnen ggf. nicht geläufig sind.
  • Wie motivert man potenzielle KonstrukteurInnen, sich am Projekt zu beteiligen und in ihrer Freizeit CAD-Daten zu erstellen?
    Stichwort Belohnungssystem
  • Haben 3D-Druck-Dienstleister tatsächlich Interesse an einer Kooperation mit einer solchen Plattform?

 

Parallel dazu widmete sich eine Runde dem Thema „Hilfe zur Selbsthilfe – Anspruch und Realität“ und überlegte, wie das Selbsthilfekonzept noch stärker beim gemeinsamen Reparieren umgesetzt werden kann:

  • Ganz wichtig: Dienstleistungsvorstellung verhindern, indem man im Team von Gästen oder BesucherInnen und Reparaturhelfer*in*innen spricht – und nicht von ReparateurInnen und KundInnen.
  • Viel über das Thema Selbsthilfe kommunizieren – schon in der Öffentlichkeitsarbeit und nach außen genau mitteilen, wie der Besuch im Repair-Café abläuft, aber auch bei der Veranstaltung selbst mit den Gästen den Dialog suchen und zum Mitmachen auffordern sowie immer wieder im Team dafür sensibilisieren und gemeinsam überlegen, wie man Selbsthilfe praktisch gestalten möchte.
  • Minimale wünschenswerte Anforderung an die Gäste: Anwesenheit bei der Reparatur, eigenständiges Säubern des (geöffneten) Gerätes, Öffnen des Gerätes unter Anleitung eines/einer Reparaturhelfer*ins/-helferin
  • Individuelles Abwägen je nach Gast: Kann der Gast überhaupt selbst reparieren, ist er dazu physisch in der Lage oder alt genug?
  • Angst nehmen, Gäste ermutigen, betreuen, loben – die Reparatur zum Abenteuer machen: Obwohl man als erfahrener Reparierender schnell sieht, was wohl der Defekt ist oder wie man ihn zügig findet, dem Gast Fragen stellen und ihn oder sie selbst entdecken und Lösungswege entwickeln lassen. Auch hilft die Vorstellung, man arbeite mit einem Kind zusammen – und diese auf einen erwachsenen Gast zu übertragen.
  • Es dürfen auch Reparaturen abgelehnt werden – wenn ein Gast mit zu großer Anspruchshaltung kommt, nicht bei der Reparatur dabei sein und sich gar nicht selbst beteiligen möchte oder wenn die Reparatur zu komplex oder zu gefährlich ist. Hierfür ist es auch sinnvoll, im Team zu überlegen, welche Geräte generell ausgeschlossen werden (Oftmals sind das Kaffeevollautomaten aufgrund der aufwändigen Reparaturen und Gefahrengut wie Heckenscheren, elektrische Sägen, Rasenmäher, etc.)
  • Austausch und voneinander lernen wird auch begünstigt durch eine räumliche Situation, in der alle Reparaturen an einem Ort stattfinden und wo sich auch die wartenden Gäste aufhalten. So können sie bei den laufenden Reparaturen zuschauen oder ggf. auch mitwirken. Je nach Reparatur oder -helferIn kann das jedoch störend sein – hier ist die Kommunikation im Team vorab wichtig, so dass eineR der Organisator*in*innen vor Ort die ZuschauerInnen ggf. dirigieren und an andere Stationen schicken kann.
  • Reparaturhelfer*in*innen, die selbst zu gerne werkeln und das Werkzeug kaum aus der Hand geben, sollten motiviert werden, den Gästen zumindest gleichzeitig zu erklären, was sie gerade tun und welche Werkzeuge sie dazu brauchen oder die Funktionsweise des defekten Gerätes zu erläutern. Auch so kann der Gast etwas lernen.
  • Zum Proben und Üben des Erklärens oder gemeinsamen Reparierens kann eine Initiative auch einmal einen internen Reparaturabend für sich selbst oder für ein benachbartes Repair-Café durchführen – so tauschen sich auch einmal die verschiedenen Gewerke untereinander aus.
  • Gerade die Fahrradreparatur lässt sich gut als Selbsthilfeangebot gestalten, auch um keine Konkurrenz zu örtlichen Fahrradreparaturbetrieben aufzubauen. Hier lohnt es sich, näher hinzuschauen und zu überlegen: Wie können Methoden oder Techniken, die bei der Fahrradreparatur an die BesucherInnen vermittelt werden, auch auf die anderen Reparaturstationen übertragen werden?
  • Mit Restewerkzeugen, wenig empfindlichen und selten benötigten Teilen kann ein Experimentiertisch gestaltet werden, wo die Gäste mit selbst so bezeichneten zwei Linken Händen verschiedene Werkzeuge in die Hand nehmen, ausprobieren, ein wenig herumschrauben können. Das Angebot lässt sich auch kinderfreundlich gestalten und macht das Repair-Café damit zum Angebot für die ganze Familie.

     

Eine weitere Runde im Anschluss befasste sich mit dem Thema: Wie gewinnen wir neue Mitglieder für unsere Initiative?

Zunächst tauschten die TeilnehmerInnen ihre bisherigen Erfahrungen aus und konnten so schon erste Impulse aus den anderen Initiativen aufnehmen:

  • Welche Aufgaben fallen in der Initiative an?
    > Organisation, Service, Reparieren
    > Kontaktpflege und (Kalt-)Akquise
    > Kommunikation: Stetiger Infofluss aufrecht erhalten, z.B. auch über Soziale Medien
    → Neue Mitglieder, bzw. Leute, die den Reparaturbetrieb aufrechterhalten, sind vor allem in den Bereichen Orga und Service gesucht. In vielen Initiativen läuft es ganz gut, was die Zahl der ReparateurInnen angeht, jedoch kommt es eher zu Engpässen beim Café-Bereich, einige ReparateurInnen machen alles, von Aufbau, Kaffee kochen, Empfang bis zu reparieren!
  • Was motiviert alte und neue Mitglieder?
    > Das Gefühl, „Juhu, ich kann es!“
    > Sozialer und realer Kontakt und Austausch mit anderen Menschen
    > Bildungsauftrag erfüllen & Wissen teilen, Wissenstransfer
    > Sinnstiftung
  • Was habt ihr schon gemacht um neue Mitglieder zu finden?
    > Persönliches Gespräch
    > Einbindung in die Reparatur und zum Mitmachen motivieren (z.B. auch Reparatur-affine Gäste)
    > Öffentlichkeitsarbeit (über Zeitung und Soziale Medien)
    > „RC Hopping“ - Austausch mit anderen Initiativen
    > Presse „Amtsblatt“ unter dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“
    → Unser Fazit war, dass es manchmal mehr hilft, Leute direkt anzusprechen, die vielleicht auch im Mailverteiler stehen, aber nicht auf Mails reagieren. Manche lesen Mails zu selten, andere bekommen zu viele, und reagieren nicht, daher ist ein Telefonat oft zielführender.
    → Darum oftmals zielführend passive und „schlafende“ Mitglieder aus dem Verteiler per Telefonat zu kontaktieren
    → Eine Möglichkeit ist es auch, die Freiwilligenagenturen vor Ort zu kontaktieren und ein Gesuch über deren Ehrenamtsbörsen aufzugeben, darüber kann man sehr gezielt nach neuen Mitglieder suchen. Eine Liste für NRW ist hier zu finden: www.lagfa-nrw.de
  • Wo hakt es? Was sind die Herausforderungen bei der Mitgliedersuche?
    > Ausdauer und Verbindlichkeit im Ehrenamt
    > „Ich traue mich nicht, das habe ich nicht gelernt“
    > Welche Kanäle nutzen?

Im zweiten Teil der Runde entwickelten die TeilnehmerInnen verschiedene Ideen, um weitere Mitgleider zu gewinnen. Ausgehend von der Diskussion, in der nochmal auf den konkreten Bedarf (in welchen Bereichen braucht es neue Mitglieder) und die bereits gemachten Erfahrungen und Ideen diskutiert wurden, notierte jedeR TeilnehmerIn drei Ideen, die dann durch die anderen Teilnehmenden des Workshops konkretisiert, verändert, erweitert oder komplett neu gedacht wurden. Ergebnis waren einerseits jede Menge neue Ideen, andererseits aber auch die Erfahrung, „Na, wir machen ja schon viel, um neue Mitglieder zu gewinnen!"

Die Favoriten (auf den 6 sogenannten „Ideenblättern“ farbig markiert):

  • Thementage und Motto-Reparieren durchführen (z.B. auch nach Jahreszeiten)
  • Warum nicht andere Gruppen, die gerne Kuchen backen einbinden, mehr Kooperationen eingehen, z.B. foodsharing, die Landfrauen etc. ansprechen
  • Gemeinsames Event (z.B. Weihnachtsfeier) ausrichten und auf oben genannte Partner zugehen, einladen
  • Repair-Café an ungewöhnlichen Orten machen und mehr Aufmerksamkeit bekommen, z.B. in einer Einkaufspassage
  • Auf Ebay-Kleinanzeigen Anzeige schalten und diese witzig und clever formulieren
  • Buddy-System (ein erfahrener Aktiver nimmt sich eine Veranstaltung lang Zeit, einen neuen, unerfahrenen anzuleiten und kommuniziert dieses auch vorab so)

Alle Ideen könnt ihr auf den Ideenblättern der Gruppe nachlesen. Über Rückmeldungen, wie und ob ihr die Ideen umsetzt, freut sich Nina: Nina.fuchs@verbraucherzentrale.nrw oder T: 0211/3809475

 


Die letzte Themenrunde tauschte sich zu Reparaturprojekten mit Kindern und Jugendlichen aus:

  • Gründe für Projekte mit jungen Menschen sind nicht nur die Freude an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (man erhält neue Perspektiven, neue Lösungswege entwickeln sich und man lernt, wie jüngere Menschen „ticken“ und denken), sondern auch das Zusammenbringen von und der Austausch zwischen den Generationen sowie das Heranführen des Nachwuchses an das Reparieren, um Wissen weiterzugeben und zu erhalten. Außerdem verhilft man Kindern und Jugendlichen zur Selbstermächtigung und Erfahrung des eigenen handwerklichen Könnens – das kann auch schon durch das bloße Zerlegen von Schrottgeräten passieren.
  • Zunächst gilt zu überlegen, an welche Altersgruppe man sich richten möchte – und entsprechend zu planen, da verschiedene Altersgruppen unterschiedliche Interessen, Aufmerksamkeitsspannen, Fragen und Bedürfnisse haben. Bevor man sich dann als Gruppe von Erwachsenen etwas ausdenkt, ist es hilfreich, mit einzelnen Kindern/Jugendlichen aus dem persönlichen Umfeld den Dialog zu suchen, nach deren Interessen zu fragen, was ihnen Spaß bereitet, womit sie sich gerne beschäftigen etc.
  • Generell steht bei Reparaturprojekten mit Kindern und Jugendlichen vielleicht nicht eine möglichst zielführende Reparatur im Vordergrund, sondern man sollte spontan auf die Wünsche, Ideen und Vorschläge der Kinder eingehen und auch Freiraum zulassen, in dem sich Ungeplantes entwickeln kann. Selbermachen und der Prozess stehen mehr im Fokus als ein vorausgeplantes Ergebnis. Besonders wichtig ist es, die Kinder und Jugendlichen auch in ihrem Können ernst zu nehmen.
  • Wissen lässt sich durch BE-GREIFEN (im wörtlichen Sinn) vermitteln.
  • Bei Schulprojekten ist es sinnvoll, sich an Schulen zu orientieren, an denen technische Inhalte Teil des Unterrichts sind. Das können Technik-AGs als Wahlpflichtangebote an Gesamtschulen sein oder auch Berufsschulen mit Technikzweig. Ebenso zeigen sich Waldorfschulen offen für handwerkliche Projekte.
  • Ein erster Kontakt über eine Lehrperson, die sich auch für das Reparieren begeistert, kann die Türen zu einem Schulprojekt öffnen. Auch Kooperationen mit Abfallwirtschaftsbetrieben oder AbfallberaterInnen können sinnvoll sein, um im Bildungskontext zu agieren.
  • Neben Reparaturen kann auch ein Upcycling-Angebot das Reparaturprojekt ergänzen, wo sich die Kinder oder Jugendlichen kreativ betätigen können.

Auch beim Bremer Vernetzungstreffen im Mai stand das Thema auf der Agenda, die Ergebnisse der dortigen Runde sind hier nachzulesen. Außerdem verfügbar das RepairKids-Konzept, mittlerweile ergänzt um Unterrichtsmaterialien.

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