Rückblick: 4. bundesweites Vernetzungstreffen Kassel
Was für ein Tag! Über 80 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet trafen sich am 13. Oktober zum vierten bundesweiten Vernetzungstreffen für Reparatur-Initiativen. 50 verschiedene Projekte, Institutionen und Organisationen waren im Sandershaus vertreten und tauschten sich zu verschiedensten Themen rund um (ehrenamtliche) Reparatur aus. Die ReferentInnen aus Reparatur-Initiativen, Forschungsprojekten und Umweltorganisationen brachten eine breite Palette an Inhalten mit, die von den Anwesenden mit Interesse verfolgt und diskutiert wurden. Im Folgenden findet ihr eine Zusammenfassung der Inhalte vom Vernetzungstreffen zu den Themenkomplexen Reparaturpraxis, Reparatur & Politik, Wissenschaft & Forschung, Tools für Reparatur-Initiativen :
REPARATURPRAXIS
Reparatur-Tipps und -Tricks (Lars Gauster)
Lars Gauster ist nicht nur leidenschaftlicher Reparateur und Inhaber des Gauster-Hauses, sondern hat mittlerweile auch drei Reparaturcafés auf den Weg gebracht, unter anderem das Reparaturcafé Dannenberg. In drei Runden teilte er sein Reparatur-Wissen, Tricks und Kniffe mit den Reparierenden. Noch mehr Tipps findet ihr auf seinem YouTube-Kanal, Hilfe gibt's in der Facebookgruppe "Reparieren statt wegwerfen".
Elektrogeräte sicher Reparieren (Cord Elias)
Cord Elias engagierte sich viele Jahre beim Repair Café Aachen-Forst. Als ausgebildeter Elektrotechniker hat er sich ausgiebig mit Elektrosicherheit befasst und welche Vorkehrungen im Reparaturcafé bestenfalls zu treffen sind, um möglichst hohe Sicherheit beim Reparieren sowohl für die Reparierenden wie auch die Gäste zu gewährleisten. Die Gefahren elektrischen Stroms demonstrierte er eindrücklich live mit einem kleinen Versuchsaufbau.
3D-Druck und Reparatur (Anika Paape, Astrid Lorenzen)
Anika und Astrid beschäftigten sich im vergangenen Jahr für das sustainable design center e.V. damit, wie die Potentiale von 3D-Druck für Reparaturen verfügbar gemacht werden können. Dafür besuchten sie FabLabs, Makerspaces, Reparatur-Initiativen, tauschten sich mit den Projekten in Workshops aus und sammelten umfassende Informationen, um die Synergien zwischen den 3D-Druck-affinen und reparierenden Projekten herzustellen.
- Alle Informationen aus dem Projekt unter 3d-reparatur.de
- Broschüre 3D-Druck & Reparatur
- Hier die in den Workshops gezeigte Präsentation.
REPARATUR & POLITIK
Repair- & DIY-Urbanism / Reparatur-Initiativen und Kommunale Kooperationen (Markus Piringer)
Markus Piringer von der Wiener Umweltberatung gab einen Einblick in die in London, Berlin und Wien geführten Recherchen rund um Reparieren und Selbermachen mit Fokus auf die Zusammenarbeit mit der Kommune. Viele Initiativen in der Runde signalisierten ebenfalls gute Erfahrungen mit kommunalen Kooperationen - sie führten u.a. zu kostenfreier Raumnutzung, Finanzierung oder Mithilfe. Klimaschutzbeauftragte sind dafür oft gute Ansprechpersonen bei den Kommunen, um einen ersten Kontakt zu schaffen. Gleichzeitig kam aber auch die Frage auf, wie Kontinuität geschaffen werden kann, auch wenn die Kommunen vielleicht keine Unterstützung mehr leisten sollten. Deswegen kann es sinnvoll sein, auch in andere Richtungen nach möglichen Kooperationsorganisationen Ausschau zu halten, bspw. Kulturzentren, Kirchengemeinden, Geflüchtetenprojekten, Umweltschutzorganisationen oder auch Reparaturdienstleistern.
- Hier findet ihr die von Markus gezeigten Folien.
- Hier geht's zur Umweltberatung online.
Recht auf Reparatur (Johanna Sydow)
Was ist das Recht auf Reparatur und warum ist es wichtig, sich dafür einzusetzen? Johanna Sydow, Referentin für Ressourcenpolitik und IT-Branche und Koordinatorin des Runden Tischs Reparatur gab im Workshop Antworten auf die obigen Fragen.
- Diskussionspapier "Was ist das Recht auf Reparatur?"
- Positionspapier & Forderungen des Runden Tischs Reparatur
Aktionskampagne "Schraube locker?!" - Aktiv werden für ein Recht auf Reparatur (Maria Martin, Joyce Syrhe, Johanna Sydow)
Das Recht auf Reparatur finden die allermeisten Initiativen mehr als unterstützenswert - doch was kann man konkret vor Ort tun neben dem Reparieren, um sich dafür stark zu machen? Das Kampagnenteam sammelt derzeit Unterschriften in einer Online-Petition und macht Öffentlichkeitsarbeit, um dem Thema mehr Gehör zu verschaffen. So könnt ihr euch beteiligen:
- Online-Petition unterzeichnen und verbreiten oder auch Unterschriften im Repair Café sammeln und einreichen
- Mitmachen bei der Fotoaktion und Beiträge auf Social Media Kanälen teilen
- Beim Internationalen Repair Day am 20.10. online oder offline mitmachen
- Treffen mit LokalpolitikerInnen bzw. Wahlkreisabgeordneten arrangieren und das Thema diskutieren
Reparatur-Festival 2019 (Christine Ax)
Im nächsten Jahr will der Runde Tisch Reparatur ein großes Reparatur-Festival + Messe ähnlich dem Fixfest 2017 veranstalten. Christine Ax vom Runden Tisch Reparatur hat sich dazu mit den TeilnehmerInnen ausgetauscht und Ideen und Anregungen gesammelt.
WISSENSCHAFT & FORSCHUNG
Repara/kul/tur (Magdalena Meißner, Daniel Affelt)
Selber forschen bzw. sich selbst beforschen - das konnten die TeilnehmerInnen in den Themenrunden des Citizen-science-Forschungsprojektes "Repara/kul/tur". Mit Hilfe des Erzählkoffers werden neue Perspektiven auf Selbermachen, Reparieren und die Projekte, in denen dies stattfindet, geöffnet und das eigene Tun dort reflektiert.
- Mehr zum Forschungsprojekt unter www.reparakultur.org
- Selbst ausprobieren könnt ihr zwei der Elemente aus dem Erzählkoffer im neuen Netzwerk-Magazin SPLiTTER
Bedeutung der und Motivationen zur Reparatur in Deutschland (Kaja Fredriksen, Franziska Schade)
Welche (wirtschaftliche) Bedeutung hat Reparatur heute? Was stärkt oder verhindert ihre Verbreitung? Diesen Fragen widmete sich die Studie von Kaja und Franziska, die sie am Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen e.V. erarbeiten.
Reparieren im Bildungskontext (Katharina Dutz, Helmer Wegner)
Nachwuchsförderung im Reparieren: Viele Reparatur-Initiativen interessieren sich dafür, mit Kindern, Jugendlichen oder SchülerInnen gemeinsam zu reparieren. Das Forschungsprojekt RETIBNE hat sich in den vergangen Jahren intensiv mit der Reparatur als Element einer nachhaltigen Bildung beschäftigt und teilte in den Workshops nicht nur die Erfahrungen aus den Schulprojekten, sondern informiert auch über die entstandenen Unterrichtsmaterialien und berichtete über gewinnbringende Synergieeffekte bei Reparaturprojekten von/mit SchülerInnen in örtlichen Gemeindezentren in Oldenburg.
TOOLS FÜR REPARATUR-INITIATIVEN
Reparaturwissen dokumentieren (Jasper Fleischhauer)
iFixit - das ist nicht nur ein Portal mit Tipps und Werkzeugen rund um Smartphonereparatur, sondern auf dem Weg, die Wikipedia für Reparatur-Anleitungen zu werden. Jasper erklärte den Initiativen, was die Vision von iFixit ist und wie die Projekte die Plattform zum Austausch und Teilen von Wissen nutzen können.
Kritische Rohstoffe (Jana Rückschloss)
Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM führt seit April 2018 ein internationales Projekt zum Thema kritische Rohstoffe in Elektronikgeräten durch (EIT Raw Materials, eitrawmaterials.eu). Das Ziel: KonsumentInnen Wissen über kritische Rohstoffe zu vermitteln und für das Thema zu sensibilisieren. Jana Rückschloss hat den TeilnehmerInnen des Workshops die entwickelten Ideen für Arbeits- und Infomaterialien zu kritischen Rohstoffen vorgestellt und mit ihnen darüber diskutiert.
Nörgler, Drängler, Störenfriede (m/w) gesucht - Gewaltfrei kommunizieren im Repair Café (Kristina Deselaers)
Was tun, wenn ein Gast mit Jetzt-sofort-Serviceanspruch im Reparaturcafé auftaucht oder partout nicht verstehen will, was die Idee hinter Hilfe zur Selbsthilfe ist? Gewaltfreie Kommunikation ist eine Methode, um emotional angespannte Situationen zu entschärfen, auf Augenhöhe zu kommunizieren und Verständnis füreinander zu entwickeln. In einem kleinen Rollenspiel stellten die TeilnehmerInnen eine typische Situation am Empfang im Reparaturcafé nach und erhielten von Kristina, die seit 5 Jahren GFK übt und praktiziert, kleine Hilfestellungen.
Im Netzwerkraum: Reparaturstatistik, Netzwerk-Magazin SPLiTTER, Reparatur-Akademie
Zu drei aktuellen Themen und Formaten aus dem Netzwerk Reparatur-Initiativen haben wir uns ebenfalls mit euch ausgetauscht.
Zwei Runden widmeten sich der entstehenden Reparatur-Statistik und überlegten, wie die das digitale Erfassen der Laufzettel aus den Initiativen vereinfacht werden könnte, um die Reparaturzahlen sichtbar zu machen. Ideen waren z.B. eine App mit der die Nutzung des digitalen Laufzettels parallel zum reparaturvorgang genutzt werden kann, Bild-zu-Text-Erkennung von Fotografien der handschriftlichen Laufzettel oder ein Tabellen-Formular, das auch offline ausfüllbar ist und sämtliche Informationen aller Laufzettel einer Veranstaltung gesammelt enthält. Dieses könnte dann mit der Plattform synchronisiert werden. Zudem hat sich eine kleine Gruppe an Aktiven gefunden, die künftig den Laufzettel testen und weiterentwickeln möchten. Wer daran ebenfalls interessiert ist, wendet sich an reparieren@anstiftung.de.
Außerdem sprachen wir über die Reparatur-Akademie (am 24.11. findet ein zweiter Termin für Kaffeemaschinen in Reutlingen statt) und wie die Inhalte künftig vielleicht auch digital zur Verfügung stehen können (Videodokumentation, Livestream?). Eine Kooperation mit der Zeitschrift MAKE könnte auch angestrebt werden, um die Inhalte zu dokumentieren.
Und zu guter Letzt präsentierten wir das neue Netzwerk-Magazin "SPLiTTER" im Rahmen des Vernetzungstreffens und sammelten Feedback und Anregungen dazu ein. In den kommenden Wochen werden wir diese in den Prototypen einarbeiten und senden euch dann die erste Ausgabe zu. Weitere Ideen dazu sind gern gesehen - schickt sie uns an splitter@anstiftung.de.